Samstag, 4. August 2018

Religion in der Praxis


Wie können wir als Psychotherapeuten mit spirituellen Themen umzugehen?
 
Religion und Spiritualität in der Psychotherapie
In diesem Beitrag geht es um folgende Fragen:
  1. Wie kann ich mich als Psychotherapeut angemessen verhalten, wenn ich selbst religiöse oder spirituelle Anschauen habe und/oder wenn mein Patient religiöse bzw. spirituelle Inhalte in die Therapie einbringt?
  2. Welche positiven Aspekte bringen Religiosität und Zugehörigkeit in einer religiösen Gruppe ggf. für den Patienten mit sich und wie können diese in der Therapie aufgegriffen werden?
  3. Wie gehe ich damit um, wenn ich als Therapeut den Eindruck habe, dass die religiösen Überzeugungen des Patienten Konflikte hervorrufen oder einen negativen Einfluss auf das Leben und Befinden des Menschen haben?
  4. Wie gelingt eine wertschätzende und offene Grundhaltung dem Patienten gegenüber, vor allem, wenn die religiösen Anschauungen sehr unterschiedlich sind?

Was ist von offizieller Seite zu erfahren?
In der „Richtlinie des österreichischen Gesundheitsministeriums zur  Abgrenzung der Psychotherapie von esoterischen, spirituellen und religiösen Methoden“ von 2014 heißt es: „Bekehrung, Heilsversprechungen, missionarische Ansätze bzw. religiöse oder esoterische Praktiken“ stehen „in krassem Widerspruch zum Selbstverständnis von Psychotherapie als wissenschaftlich fundierte Krankenbehandlungsmethode. (…) Weder Gebete, religiöse Rituale oder Vergebensarbeit noch andere religiös, spirituell oder esoterisch begründete Handlungen“ können „zu einer umfassenden und stringenten psychotherapeutischen Methode, die eine geplante Krankenbehandlung ermöglicht, gehören“.
Die deutsche Psychotherapie-Richtlinie äußert sich nicht zu diesem Thema. Immerhin hat  2016 eine Expertengruppe der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) "Empfehlungen zum Umgang mit Religiosität und Spiritualität in Psychiatrie und Psychotherapie" erarbeitet. Die Autoren stellen in der deutschsprachigen Psychotherapie insgesamt eine große Zurückhaltung gegenüber spirituellen Interventionen fest, halten aber die in Österreich vertretene Pathologisierung von Religiosität und Spiritualität (R/S) für nicht mehr zeitgemäß. Sie verweisen auf die USA und auf England, wo religiöse und spirituelle Kompetenzen für Psychiater und Psychotherapeuten ausdrücklich beschrieben und gefordert werden. In den letzten 15 Jahren sind über ein Dutzend englischsprachiger Lehrbücher, Konsenspapiere, Leitlinien und Ratgeber zur Psychologie der R/S herausgegeben worden.
Auch deutsche Patienten mit psychischen Erkrankungen wollen – so die Experten der DGPPN – von ihren Therapeuten in ihrer existenziellen, spirituellen und religiösen Dimension ganzheitlich wahrgenommen werden. Insbesondere bei Patienten mit Migrationshintergrund sind die kulturellen und religiösen Besonderheiten zu beachten. Sonst besteht die Gefahr, dass wir als Therapeuten religionsspezifische Tabus und Grenzen unwissentlich verletzen. Ohne Berücksichtigung der religiösen und kulturellen Erfahrungen der Patienten lassen sich oft weder depressive Schuldgefühle, Scham, Identitätskrisen und Suizidalität noch Traumafolgestörungen verstehen. Doch wie weit darf die psychotherapeutische Begleitung des Patienten in seiner existenziellen, religiösen und spirituellen Suche gehen? Welche professionellen Grenzen sind notwendig und sinnvoll?

Konkrete Empfehlungen
Die Experten der DGPPN empfehlen unter anderem:
  • Dass wir uns als Therapeuten interkulturelle Kompetenz erwerben, um die individuellen Gesundheits- und Krankheitskonzepte unserer Patienten in einer kultur- und religionssensiblen Weise erfragen und die Perspektive wechseln zu können.
  • Dass wir grundsätzlich die Wertvorstellungen und religiösen Überzeugungen unserer Patienten erfragen und als Ressource oder Belastungsfaktor ernst nehmen. Auch bei Patienten ohne religiöse/spirituelle Anbindung ist eine Auseinandersetzung mit existentiellen Fragen oft erforderlich.
  • Dass wir in der Therapie unseren eigenen weltanschaulichen Hintergrund transparent machen, trotzdem auf eine respektvolle Weise religiös neutral und aufgeschlossen bleiben für den Transzendenzbezug unserer Patienten. Eine Zusammenarbeit mit dem Seelsorger oder spirituellen Lehrer des Patienten kann in vielen Fällen sinnvoll sein.
In der Wiesbadener Akademie für Psychotherapie, an der ich seit 1996 lehre, hat die Einbeziehung religiöser, spiritueller und weltanschaulicher Fragen in die psychotherapeutische Anamnese und Behandlungsplanung eine lange Tradition. Denn in vielen Menschen – auch bei solchen, die keiner Kirche oder Konfession angehören – gibt es ein tief verwurzeltes Gefühl, dass die sichtbare („objektive“) raumzeitliche Wirklichkeit nicht die einzige ist. Dazu kommt das verbreitete Bedürfnis, die Grenzen der bekannten Erfahrungsmöglichkeiten zu überschreiten und zu erweitern. Verbunden damit ist oft der Wunsch, mit der anderen Wirklichkeit in Kontakt zu treten.
Nach unserer Erfahrung können Kirche, Religion und Spiritualität wertvolle Ressourcen sein, die bei der Krankheitsbewältigung therapeutisch gut genutzt werden können. Für Patienten, die in ihrer Problemtrance gefangen sind, deren Gedanken unaufhörlich und unfruchtbar um die immer wieder gleichen ungelösten Fragen kreisen und die sich daher nie entspannen können, kann ein spiritueller Erfahrungsraum – sei er nun durch Leere und Stille oder durch Bilder und andere sinnliche Erlebnismöglichkeiten gekennzeichnet – heilsam sein. Die Patienten können von ihrem inneren Konfliktdilemma defokussieren.  Sie können ihre Aufmerksamkeit Ritualen, Narrativen, inneren Erfahrungen und Bildern zuwenden, die ihnen – wenigsten vorübergehend – Erleben von Trost, innerem Frieden, Geborgenheit, Verbundenheit und Konsistenz ermöglichen. Auch Erfahrungen von Ekstase, tiefer Erkenntnis und gesteigerte Lebensenergie sind nicht selten.
Doch Religionsausübung kann auch krank machen und zu „ekklesiogenen Neurosen“ führen. So werden jene seelischen Schwierigkeiten und Erkrankungen bezeichnet, die durch Fehlformen der Frömmigkeit, zum Beispiel durch einengende kirchliche Bindung, fanatische Religiosität, sexualfeindliche Erziehung oder ein neurotisches Gottesbild entstehen.
In jüngster Zeit stellte sich immer stärker die Frage nach einer Psychotherapie-Richtlinien konformen Vorgehensweise, vor allem in der Kassenpraxis. In dem Lehrbuch „Praktischer Leitfaden der tiefenpsychologisch fundierten Richtlinientherapie: Wissenschaftliche Grundlagen, Psychodynamische Grundbegriffe, Diagnostik und Therapietechniken“, das ich mit Arno Remmers im Deutschen Psychologen Verlag herausgegeben habe und an dem mehrere Dozenten der Akademie mitgewirkt haben, empfehlen wir:
  • Als Psychotherapeut gewinnst Du das Vertrauen religiöser oder spirituell interessierter Patienten am besten, wenn Du Dich ohne Wertung für ihre Erfahrungen und Einstellungen interessierst. Die gleiche Offenheit ist im Übrigen auch einer atheistischen oder agnostischen Weltanschauung entgegenzubringen.
  • Auch wenn Du selbst „religiös unmusikalisch“ bist, kannst Du die spirituellen Gefühle und Bedürfnisse Deiner Patienten ebenso wertschätzend behandeln, wie Du als Therapeut mit anderen menschlichen Antrieben und Motivationen (Bindung, Zugehörigkeit, Versorgung, Sicherheit, Kontrolle, Sexualität, Besitz, Macht usw.) umzugehen gelernt hast.
  • Du wirst als Kassentherapeut selbst eher keine spirituellen Angebote machen. Aber Du kannst Dich dafür interessieren, welche spirituellen Erfahrungen Deine Patienten schon gemacht haben, welche Rolle Religion in ihrer Herkunftsfamilie spielte oder wer in ihrem sozialen Umfeld in welcher Weise spirituell aktiv ist. Versuche, neutral und wertfrei zu bleiben.
  • Wenn Du selbst schlechte Erfahrungen mit spirituellen Angeboten, Religion oder Kirche gemacht hast, bedeutet das nicht, dass Spiritualität, Religion oder Kirche auch für Deine Patienten schädlich sind. Wenn Du gute Erfahrungen mit Deiner Art von Spiritualität gemacht hast, bedeutet das nicht, dass auch Deine Patienten von Deiner Form von Spiritualität profitieren. Versuche in der Therapie nicht, Deine Patienten im Sinne Deiner eigenen religiösen, atheistischen oder sonstigen spirituellen und weltanschaulichen Ansichten zu beeinflussen.
  • Du unterstützt Deine Patienten am besten, indem Du versuchst, ihre Erfahrungen, ihren Glauben oder Unglauben aus der Innenperspektive Deiner Patienten heraus zu verstehen und das, was ihnen eventuell heilig ist, so gut es geht zu ehren. Das ist mitunter schwer, vor allem wenn Deine Patienten eine fundamentalistische und intolerante Glaubensposition vertreten.
  • Stelle diese Überzeugungen aber nicht voreilig in Frage, selbst dann nicht, wenn sie der Lösung wichtiger Probleme und Konflikte im Wege zu stehen scheinen. Denn rigide Glaubenssätze oder die Mitgliedschaft in einer dogmatischen Glaubensgemeinschaft erfüllen unbewusst oft die Funktion, strukturelle Defizite zu kompensieren. Sie stabilisieren das Selbstsystem, zum Beispiel indem sie ein Gefühl von Identität, Orientierung und Kontrolle geben.
  • Du kannst fest gefügte und dysfunktionale weltanschauliche und religiöse Überzeugungen am ehesten implizit korrigieren: Du wirst aufgrund Deines eigenen Menschen-, Gottes- und Weltbildes sowie Deiner eigenen spirituellen Erfahrungen mit Deinen Patienten und deren Nöten in einer bestimmten Weise (zum Beispiel geduldigen, freundlichen, wertschätzenden, anteilnehmenden, optimistischen und ermutigenden) umgehen. Fühlt sich diese Umgangsweise für Deine Patienten gut an, werden sie mit der Zeit vielleicht das Bedürfnis entwickeln, sich immer mehr an Deinem Vorbild zu orientieren oder: werden sie vielleicht am Beispiel der therapeutischen Kommunikation erfahren können, verschiedene Sichtweisen von Glauben eher zu akzeptieren und offener zu werden für neue funktionale Erfahrungen.
  • Du kannst behutsam innere und äußere Kosten und Nutzen spezifischer Glaubensinhalte und -praktiken erforschen und mit dem Pat. gemeinsam untersuchen.

Montag, 30. April 2018

Empfehlungen zu Religion und Spiritualität in der Psychotherapie



Empfehlungen der DGPPN zum Umgang mit Religiosität und Spiritualität (R/S) in Psychiatrie und Psychotherapie
 
Religion, Spiritualität und Psychotherapie

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) hat 2016 von einer Expertengruppe[1] "Empfehlungen zum Umgang mit Religiosität und Spiritualität in Psychiatrie und Psychotherapie" erarbeiten lassen. Die Autoren sehen die früher vorherrschende Religionskritik und Pathologisierung von R/S, die zum Beispiel noch in der "Richtlinie des österreichischen Gesundheitsministeriums zur Abgrenzung der Psychotherapie von esoterischen, spirituellen und religiösen Methoden" aus dem Jahr 2014 zum Ausdruck kommt, als in ihrer Einseitigkeit heute nicht mehr angemessen an. Die Autoren verweisen insbesondere auf die USA, wo religiöse und spirituelle Kompetenzen für Psychiater und Psychotherapeuten sogar ausdrücklich beschrieben und gefordert  werden.
Auch deutsche Patienten mit psychischen Erkrankungen würden erwarten, dass ihre Psychiater und Psychotherapeuten ihre Lebenssituation auch in ihrer existenziellen, spirituellen und religiösen Dimension ganzheitlich wahrnehmen. Die direkte Ansprache und unmittelbare Bearbeitung existenzieller Themen in der Behandlung sei für die Krankheitsverarbeitung bedeutsam ist. Ohne Verständnis für die kulturellen und religiösen Besonderheiten von Patienten bestehe die Gefahr, dass religionsspezifische Tabus und Grenzen unwissentlich durch die Behandler verletzt werden. Die Akutpsychiatrie müsse die religiöse und spirituelle Erfahrung und Ausrichtung der Patienten bei der Anamnese und Differenzialdiagnose berücksichtigen, vor allem bei Suizidalität, religiösem Wahn, depressivem Schuldgefühl und bei Traumafolgestörungen. Es sei wichtig, dass die Behandler ihre eigenen Werte und Grundannahmen hinsichtlich R/S reflektieren und transparent machen, um angemessen mit R/S der Patienten umzugehen.
Die Autoren verstehen unter Religion eine Gemeinschaft, die Traditionen, Rituale und Texte teilt (Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus, Hinduismus u.a.). Religiosität meine über die institutionelle Religionszugehörigkeit hinaus eine persönliche Gestaltung und Lebenspraxis von Religion. Spiritualität sei als Containerbegriff zu verstehen, der die persönliche Suche nach dem Heiligen, nach Verbundenheit oder Selbsttranszendenz meint und ausdrücklich auch Weltanschauungen außerhalb der institutionalisierten Religionen mit einschließt. Die Autoren sehen R/S als anthropologische Universalien des Menschseins und als identitätsbildendes, persönliches Sinnsystem. Sie seien in der Psychotherapie unabhängig vom Gesundheitsoutcome oder der Effizienz therapeutischer Interventionen ganzheitlich wahrzunehmen und zu würdigen.
Zum aktuellen Forschungsstand
Die Autoren stellen in der Psychotherapie im deutschsprachigen Raum eine große Zurückhaltung gegenüber spirituellen Interventionen fest. In Europa werde  die Gefahr von Grenzüberschreitung von Therapeuten stärker thematisiert als in den USA, wo sich Menschen mit psychischen Erkrankungen häufig an den Leiter ihrer religiösen Gemeinschaft wendeten. Englischsprachige psychologische und psychiatrische Fachgesellschaften hätten bereits eigene Konsenspapiere, Leitlinien,  Ratgeber und Fortbildungsangebote erarbeitet, wie im Kontext mit R/S angemessen mit psychischen Erkrankungen umzugehen sei. In den letzten 15 Jahren sei über ein Dutzend englischsprachiger Lehrbücher zur Psychologie der R/S herausgegeben worden.
Die große Fülle an Studien und Veröffentlichungen im englischsprachigen Bereich zum Zusammenhang von R/S und Gesundheit leide aber – trotz einiger kritischer Stimmen in den USA – an dem grundlegenden Bias, Therapieeffekte eher auf die Wirkkraft des Glaubens als auf psychologische Mechanismen zurückzuführen. Ein Nachholbedarf bestehe daher an psychiatrischen und psychologischen Zusammenhangsmodellen, warum R/S als Ressource oder Belastungsfaktor wirken. Religiöse und spirituelle Themen würden in der deutschsprachigen Psychiatrie und Psychotherapie noch nicht ausreichend fachlich reflektiert, beforscht und in der Ausbildung vermittelt.
Insbesondere auch angesichts des ausufernden psycho-spirituellen Lebenshilfemarkts mit z.T. fragwürdigen Angeboten drängten wichtige Fragen nach einer Antwort: Ist Sinngebung Aufgabe von Psychotherapie? Wie weit darf die psychiatrisch-psychotherapeutische Begleitung des Patienten in seiner existenziellen, religiösen und spirituellen Suche gehen? Welche professionellen Grenzen sind notwendig und sinnvoll, um die Freiheit von Patient und Behandler zu schützen?
Konkrete Empfehlungen
1. Interkulturelle Kompetenz: Da R/S kulturell geprägt ist, sollten die individuellen Gesundheits- und Krankheitskonzepte in einer kultur- und religionssensiblen Weise erfragt werden. Therapeuten sollten zu einem Perspektivenwechsel fähig sein.
2. Anamnese: Die Erfassung der Wertvorstellungen und religiösen Überzeugungen sowie deren Relevanz im Leben gehören zur psychiatrisch-psychotherapeutischen Anamnese.
3. R/S im Behandlungsplan: R/S sind als Ressource und/oder Belastungsfaktor für Patienten zu erkennen und in die Behandlungsstrategie einzubinden. Dies gilt auch, wenn der Behandler selbst areligiös ist oder einer anderen Weltanschauung verpflichtet ist als der Patient. Auch bei Patienten ohne religiöse/spirituelle Anbindung ist eine Auseinandersetzung mit existentiellen Fragen oft erforderlich.
4. Grenzverletzungen aus R/S-Motiven: Wenn Patienten aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen (z.B. religiöser Fanatismus/Fundamentalismus) das Behandlungssetting verletzen, müssen sie mit den geltenden Regeln als Teil des Realitätsprinzips konfrontiert werden. Durch differenzierte Interventionen sind die Grenzen zu schützen bzw. wiederherzustellen.
5. Professionelle Grenzen: Die Berufsethik von Psychiatern und Psychotherapeuten schließt religiöse oder spirituelle Interventionen aus. Trotzdem müssen die R/S des Patienten in der Therapie Raum haben.
6. Diversity Management: Der Behandler sollte, wenn es in der Therapie um die R/S des Patienten geht, seinen eigenen weltanschaulichen Hintergrund transparent machen.
7. Neutralität: Der Behandler sollte auf eine respektvolle Weise religiös neutral bleiben, aber aufgeschlossen sein für einen möglichen Transzendenzbezug seines Patienten. Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungen einerseits und Seelsorge und spirituelle Führung andererseits sollten unterschieden werden und getrennt bleiben. Eine Zusammenarbeit im Interesse des Patienten kann aber in vielen Fällen sinnvoll sein.
8. Passung in der therapeutischen Beziehung: Psychiater und Psychotherapeuten sollten ihre eigene weltanschauliche Orientierung kennen und in der Selbsterfahrung und Supervision kritisch reflektiert haben, um mit Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomen im Kontext von R/S umgehen zu können. Die Neutralität des Psychiaters und Psychotherapeuten in weltanschaulichen, Wahrheits- und Wertefragen sollte in einem ausgewogenen Verhältnis zu seiner religiösen oder spirituellen Selbstdeklaration stehen.
9. Aus-, Fort- und Weiterbildung: Die psychiatrische, psychotherapeutische und psychosomatische Aus-, Fort- und Weiterbildung muss sowohl hinsichtlich eines Grundwissens von Religions- und Weltanschauungsfragen und insbesondere hinsichtlich diesbezüglicher Selbsterfahrungs-Angeboten verbessert werden.
10. Forschung: Ein interdisziplinärer Dialog zwischen Religionspsychologie, Theologie und Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik ist notwendig. Folgende Forschungsthemen erscheinen u.a. wichtig:
  • Wahrnehmen von R/S-Bedürfnissen der Patienten,
  • R/S als Behandlungshindernis und
  • Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe mit Seelsorge-Angeboten.

Der vollständige Text der Empfehlungen der DGPPN zum Umgang mit Religiosität und Spiritualität in Psychiatrie und Psychotherapie findet sich im Internet unter dem Link:
www.dgppn.de/presse/stellungnahmen/stellungnahmen-2016/religiositaet.html






[1] Die Zusammensetzung der als "Task Force" bezeichneten Gruppe bestehend aus Michael Utsch, Ulrike Anderssen-Reuster, Eckhard Frick, Werner Gross, Sebastian Murken, Meryam Schouler-Ocak und Gabriele Stotz-Ingenlath sollte Ausgewogenheit hinsichtlich Konfession und Religion, kultureller Herkunft, Berufsgruppen-Zugehörigkeit sowie Genderaspekten sicherstellen.